Beauty Aging forever!
Neulich habe ich mit einer neuen Maskenbildnerin gearbeitet. Als ich nach dem Schminken aufstand, um mich anzuziehen, guckte sie mir nach und sagte, vermutlich weil sie nett sein wollte: „Also dafür, dass du Mutter bist, hast du ja echt noch ’ne gute Figur, finde ich.“
Mein limbisches System (der Teil unseres Gehirns, der unter anderem für die Emotionen zuständig ist) war wegen des Kompliments bereits im Begriff, Glückshormone durch den Körper zu schießen, als mir plötzlich etwas auffiel. Hatte sie gesagt: „… dafür, dass du Mutter bist …“?!? Das „Kompliment“ explodierte krachend in tausend Einzelteile, mein limbisches System pfiff seine Hormone zurück, und ich war wie vor den Kopf geschlagen.
Das ist genauso, wie einer Freundin von mir gesagt wurde: „Dafür, dass du schon fünfzig bist, siehst du echt noch gut aus.“ Also ehrlich, solche Aussagen sind doch keine Komplimente!
Mit dem Älterwerden ist es aber auch wirklich keine einfache Sache. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Alt werden ist nix für Feiglinge!“ Viele ältere Menschen fühlen sich wie auf dem Abstellgleis. Vom anderen Geschlecht nicht mehr beachtet, während auf dem Hauptgleis die neuen, jungen Hochgeschwindigkeitszüge mit Orchester, Champagner und Blitzlichtgewitter begrüßt werden.
Mein ehemaliger Chefredakteur erzählte mir mal, er gehe in Hamburg zum Mittagessen immer in die Marsbar. „Das Essen ist top. Die Ladys an den Tischen drum herum sind nicht mehr ganz so knusprig, aber was soll’s …“ Ach so. Nicht mehr so knusprig. Er ist im Übrigen auch nicht mehr „knusprig“, da labbert die Gockelhaut auch etwas auf dem Fleisch.
Aber die Männer haben es da ja leider viel besser. Je älter sie werden und je mehr Falten sich bilden, desto attraktiver und sexyer finden dies viele Frauen. Evolutionstechnisch betrachtet hat das auch wie immer einen guten Grund. Um die Versorgung des Nachwuchses sicherzustellen, ist ein älterer Mann, der mit seinem Einkommen die Ernährung der Familie sicherstellen kann, die bessere Bank. Und das Alter eines Mannes zeigt sich unter anderem eben in den Falten. Deshalb empfinden viele Frauen ältere Männer als attraktiv. Wie immer hat sich die Natur also etwas dabei gedacht.
Im Prinzip finde ich ganz klar auch die Vorstellung schön, „natürlich“ älter zu werden. Statements dieser Art hört man ja häufig (insbesondere von sehr jungen Frauen): „Ich will natürlich bleiben und würde niemals so Dinge wie Botox ausprobieren.“ Ja, so lange der Busen steht wie ’ne Eins und die Pfirsichhaut strahlt … klar! Aber lass mal dreißig Jahre Schwerkraft dran ziehen.
Es gibt eigentlich nur zwei Gruppen von Menschen, die sagen können: „Ich mache nichts Künstliches!“ Erstens die, die jung sind. Zweitens die, die gute Gene haben. Glück gehabt, bei denen hat der Gen-Koch auf dem Gourmet-Markt eingekauft: „Nur die besten Zutaten, bitte!“ Bei uns anderen war’s dann eher ’ne Portion Pommes aus der Gefriertruhe.
Älter werden ist okay, aber man muss meiner Meinung nach was tun. Man kann das gut mit einem Haus vergleichen. Wir beginnen unser Leben in einem kleinen Neubau, der Etage für Etage weiter ausgebaut wird, bis wir achtzehn sind. Und weil es ein Neubau ist, machen wir erst mal nichts mehr. Keine Renovierung, kein neuer Anstrich, ist doch alles neu. Aber wenn das Haus dann mal vierzig Jahre alt ist? Dann muss man ran – sonst sind ganz schnell alle Mitbewohner ausgezogen. Und dann steht man da. Alleine! Ohne Dach! Doppelverglasung! Strom!
Was hingegen gar keinen Sinn macht, ist das, was die Gesellschaft (oder war es doch bloß mal wieder die Werbung?) gegen das Altern erfunden hat: Anti Aging. Immer noch in aller Munde. Etwas Bescheuerteres habe ich noch nie gehört. Anti Aging – gegen das Altern!
Anti Aging beschreibt etwas, was nicht zu schaffen ist. Zum Scheitern verurteilt, von vornherein. Das Wort, der Inhalt, das Ziel. Wir können das Altern nicht aufhalten. Wie soll das gehen? Das beste Beispiel dafür ist Carmen Geiß. Wenn man aussehen möchte wie ’n Schlauchboot – dann ab zum Arzt und rein mit Botox & Co. Aber ich gehe davon aus, dass Sie und die meisten von uns das nicht wollen. Die Frage, die sich dann aber sofort stellt, lautet: Was ist die Alternative? Kapitulieren und uns den Falten ergeben? Eine Psychotherapie gegen die Faltenphobie?
Nein! Meine Meinung – und da sind wir auch schon mittendrin im Thema – ist: Was wir wollen, ist eine Art „Anti-Anti-Aging“. Es muss eigentlich heißen: Beauty Aging. Klingt das nicht toll? Schön altern. Ist das nicht viel angenehmer als total verkrampft gegen das Alter zu kämpfen? Was ja, wie gesagt ohnehin nicht möglich ist. Wir wollen das Altern nicht verhindern, aber den Weg in die Seniorenresidenz schöner gestalten. Mit ein paar leuchtenden, lebendigen Blumen und keinen Kunststräußen am Wegesrand, dann läuft man dort auch viel lieber entlang.
Die Frage ist nämlich nicht, ob ich etwas tue oder nicht. Das machen wir ja schon, indem wir zum Beispiel Rouge auftragen, wenn wir uns blass fühlen. Stärken herausheben und Schwächen wegpolieren, das sollte die Aufgabenstellung sein. Wer zum Beispiel ein heller Typ ist ist wie ich und deshalb unsichtbare Augenbrauen hat, kann diese doch ruhig betonen, damit das Gesicht mehr Ausdruck bekommt. Wir gehen ja auch zum Friseur, rasieren uns, schneiden uns die Fingernägel, statt rumzulaufen wie der Yeti. Fakt ist: Wir fühlen uns besser, wenn wir ins Spiegelbild schauen und denken: Wow! Denn diese Reaktion stimuliert beispielsweise die Produktion der wichtigen Glücksstoffe Endorphin, Dopamin und Noradrenalin. Dadurch entsteht wiederum ein positiver Kreislauf: Wenn wir besser aussehen, fühlen wir uns auch besser, und das wiederum macht noch schöner. Und dann „knuspern“ wir auch wieder.