, ,

Glück ist eine Insel

Happy_Glueck_Gluecklich_ausgeglichen_fit_gesund

Loslassen. Dieses Wort ist ja momentan neben Begriffen wie „seine innere Mitte finden“ und „den Stress wegatmen“ in aller Munde.

Loslassen soll ich also. Aber wie? Angeblich hilft Yoga. Und Meditation. Stimmt vielleicht – aber wer hat in unserer hektischen Gesellschaft schon Zeit, den halben Tag auf der Yoga-Matte zu turnen, die andere Hälfte im Lotussitz auf einem Kissen zu sitzen und den Stress wegzuatmen, während Mann, Kinder, Haushalt und Job bedient werden wollen? Ich jedenfalls nicht.

Und man fragt sich natürlich: Was soll ich überhaupt loslassen? Und was auf keinen Fall? Und wie finde ich den Unterschied? Es ist ja auch keine Lösung, erst mal alles loszulassen und zu hoffen, dass es trotzdem schon irgendwie wird …

Also: Was soll ich loslassen – und warum? Ich habe neulich einen schönen Spruch gelesen: „Dieser Tag könnte Spuren von Müssen enthalten.“ Genau das ist der Punkt für mich: Endlich aufhören, daran zu denken, was wir alles müssen. Und das ist so einiges, wenn man sich mal eine Liste macht. 

Happy_Glueck_Gluecklich_ausgeglichen_fit_gesund

Wie zum Beispiel beim „Zirkus Karlinder“. Angefangen mit dem Job (wer das nicht „muss“, weil er einen steinreichen Mann geheiratet hat: Gratulation – ein Sechser im Lotto!), dann zwei Kinder an zwei Schulen mit absolut nicht matchenden Abholzeiten, Klassenarbeiten, Elternabenden, Lernentwicklungsgesprächen und Ausflügen. Nachmittags: Fahrten zum Gitarrenunterricht, Fußballtraining, Schwimmen („Ich will nicht!“) und zur Theater-AG, tolles Mittagessen kochen, Steuererklärung machen, Arztbesuche absolvieren, mit dem Hund rausgehen, die Katzentoilette saubermachen – nebenbei am Wochenende im Garten Unkraut jäten, Geschenke für Kindergeburtstage kaufen und den Dachboden ausmisten. Freunde treffen, Hobbys pflegen? Vielleicht im übernächsten Leben wieder! Denn, zack – ist wieder Dezember: Adventskalender (mit selbst genähten Stiefelchen inklusive gestickten Zahlen) befüllen (wo finde ich 24 kleine Geschenke für wenig Geld, die nicht nur chinesischer Schrott sind?) und für Sonntag noch einen Kuchen für Schwiegermutters Achtzigsten in den Ofen schieben.

Das ist meine Liste. Und jetzt machen Sie diese Liste bitte auch mal für sich. Ja, bitte jetzt! Ich warte so lange. (Muss eh noch zwei Waschmaschinen machen.)

Diese Liste hat mir nämlich enorm geholfen. Denn jahrelang begann mein Tag so: Ich wachte, vom Weckerklingeln aus dem Tiefschlaf gerissen, um 6 Uhr morgens mit Herzrasen, aber noch melatoninbenebelt auf und fragte mich (wie in einem der vorigen Kapitel erwähnt): Wie bekomme ich diese zwei (widerspenstigen!) Kinder bloß gekämmt, frisiert und mit geflochtenem Zopf, angezogen, gefrühstückt und mit kreativen Schulbroten im Gepäck um 8 Uhr pünktlich in die Schule? 

Tag für Tag war das so, aber irgendwann ging es so nicht mehr weiter. Ich wollte schließlich nie eine dieser zeternden Mütter werden, die in der RTL 2-Sendung „Frauentausch“ aufgrund ihrer Achtfach-Rolle völlig auf dem Zahnfleisch gehen. Und was irgendwann mit Menschen passiert, bei denen irgendwann auch das letzte „Zahnfleisch“ aufgebraucht ist, habe ich während meiner Rettungsdienst-Ausbildung in der Notaufnahme zur Genüge gesehen. 

Also loslassen. Okay, loslassen! Aber wie? Plötzlich sah ich ein Bild vor mir: Ich saß auf einer Kutsche, die Zügel von dreißig Pferden in der Hand, die alle um Ihr Leben liefen, zwar grob vorwärts, aber in verschiedene Richtungen. Dreißig Pferde, die gar nicht zusammenpassten: ein kleines Zwergpony, ein klobiger Riesen-Kaltblüter, ein graziler Araberhengst. Und logischerweise traten sie sich im Eifer des Gefechts alle gegenseitig. Da fiel es mir schlagartig wie Schuppen von den Augen: Wie soll ich denn einen klaren Gedanken fassen, wie soll ich mein Lebensziel finden, wenn ich mit dreißig Pferden im Jagdgalopp den Eppendorfer Weg (da wohne ich) entlangpresche? Und dabei noch versuche, den Latte Macchiato ohne Kleckern an meine Lippen zu bekommen.

Machen wir uns nichts vor: Im Grunde sind wir alle so. Wir, die in dieser „Muttitask-Welt“, wie ich sie nenne, bestehen müssen. Totales Chaos, absoluter Stress, um die Work-Life-Balance irgendwie zu halten.

Alles Quatsch. Aber hier kommt die Lösung: Einige der dreißig Pferde loslassen. Weg damit! Lassen Sie sie einfach laufen, wohin sie wollen. Die kommen auch ohne sie gut zurecht. Behalten Sie die, die Sie wirklich behalten wollen, dann haben Sie mehr Zeit, sich um Ihre Lieblingspferde zu kümmern. Und vor allem: Entscheiden Sie bitte selbst, welche Sie loslassen und welche nicht.

Ich habe zum Beispiel nach drei Jahren adrenalingepeitscher Morgen als „Kameltreiberin“ meiner Kinder beschlossen: Ich stelle ihnen einen Wecker hin – und erinnere sie genau ein Mal. Und wenn sie nicht aufstehen und dann zu spät in die Schule kommen, ist das wirklich ärgerlich – aber nicht zu ändern. Immer noch das kleinere Übel als eine Mutter mit Herzinfarkt oder Burnout. Das ist nämlich das Ergebnis, wenn man auf die Dauer versucht, 30 Pferde im Zaum zu halten. Sie haben die Wahl: Ein (kürzeres) Leben mit dreißig Pferden im Galopp, aber alles immer pflichtbewusst gemacht. Oder ein längeres, gesundes Leben. Eine gemütliche, genüssliche Kutschfahrt durch die Zeit.

Meine Empfehlung: Machen Sie sich Ihre persönliche PS-Liste. Welche Pferde wollen Sie behalten oder vielleicht sogar dazukaufen – und welche können weg? Das kann alles sein von toxischen Menschen, die Ihnen nicht guttun, über den Klavierunterricht, für den sie eh nie üben, bis hin zu den Adventskalender-Säckchen, die man auch in der Drogerie kaufen kann.

Sie werden sehen: Es funktioniert. Die Belohnung: Glück und Gesundheit. Sie werden trotzdem ab und zu krank sein. Und auch mal unglücklich. Das ist sogar gut so. Wie sagte der Psychologe Emerson noch so schön: Glück ist kein Ort, an dem man wohnt – Glück ist eine Insel, die man besucht. Und dort sollten Sie jeden Tag ein paar Mal vorbeischauen.

Interessant? Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden!